Schneebedeckte Gipfel: die Grenze zwischen Kasachstan und Kirgisistan
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Die
Seidenstraße – schon der Klang dieses Namens weckt Bilder von Wüsten,
schneebedeckten Gipfeln, staubigen Straßen und Karawanen. Die Seidenstraße
verband China mit Europa, durchquerte Zentralasien. Auf ihr reisten
Geschäftsmänner und Krieger, wertvolle Waren wie Seide, Keramik und Glas wurden
gehandelt, Religionen und Ideologien verbreitet. Dschingis Khan nutzte sie, um
seine Eroberungsfeldzüge vorzubereiten.
Die Seidenstraße, sie ist
Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die Reisende und Archäologen noch heute
begeistert. Und vielleicht ist die Seidenstraße auch die Zukunft.
China holt
den Mythos aus den Reisekatalogen und Museen in die Gegenwart, will die
Seidenstraße zum Leben erwecken, lässt entlang der alten Handelsrouten Zugtrassen
und Schnellstraßen bauen. „One Belt, one Road“ – auf Deutsch „ein Gürtel, eine
Straße“
–
heißt das Projekt, das nach Angaben der chinesischen Regierung durch 67
Länder führen soll. Eine feste Route gibt es nicht, vielmehr ist die neue
Seidenstraße ein Netzwerk von Handelsstraßen zwischen Ost und West – so wie es
auch die alte war.
Die Wege zwischen China und Europa sollen kürzer werden,
sicherer. Mehr als 900 Milliarden Euro sollen investiert werden, von China,
chinesischen Banken und auch aus dem Ausland.
Im Jahr 2013
sprach der chinesische Staatspräsident Xi Jinping zum ersten Mal von dem
gigantischen Infrastrukturprojekt, das Europa und China enger verbinden soll,
zu Land und zur See. Seine Rede hielt er in der kasachischen Hauptstadt Astana
und erklärte: Der nördliche Strang der neuen Seidenstraße werde durch
Kasachstan verlaufen, der mittlere durch den Kaspischen Raum, der südliche
durch den Iran. Kasachstan sieht sich als Schlüsselland in dem Projekt – und
ist es, als vergleichsweise stabiler Staat in Zentralasien, wohl auch.
Seit 26 Jahren ist hier derselbe Mann an der Macht: Präsident Nursultan Nasarbajew.
Im Mai fand
in China ein Seidenstraßen-Gipfel mit Vertretern aus hundert Ländern statt,
auch Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries war dabei. Xi Jinping sprach
von einer „Straße des Wohlstands“, einer „Straße des Friedens und des
Aufschwungs“. In einer Zeit, in der die USA sich abschotten und aus
internationalen Verträgen austreten, strebt China eine Führungsrolle an. Es
könne auch gar nicht anders aufgrund seiner strategischen Interessen und des
wachsenden Gewichts der chinesischen Wirtschaft, schreibt der Journalist und
Asienexperte Tom Miller in seinem Buch „China’s Asian Dream: Empire Building
Along the New Silk Road“.
Die EU ist
zurückhaltend, Vertreter der deutschen Wirtschaft diskutieren, ob die neue
Seidenstraße Bedrohung oder Chance ist. In Bremen warnen manche davor, dass der
Standort an Bedeutung verlieren könnte, wenn die Landhandelsrouten gestärkt
werden. Die Deutsche Bank hat vor kurzem entschieden, zusammen mit der China
Development Bank drei Milliarden US-Dollar für das Projekt zur Verfügung zu
stellen. Immer wieder betonen Vertreter Chinas, die neue Seidenstraße sei kein
Soloprojekt Chinas, keine Einbahnstraße. Sie sprechen von einer
„Win-Win-Situation“.
Die
kasachische Regierung sieht im Großprojekt des Nachbarlandes eine Chance – die
ehemalige Sowjetrepublik will profitieren, will sich im Zentrum der
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europa und China positionieren. Die
Seidenstraße, die den Ländern 2000 Jahre lang internationale
Handelsverbindungen und Reichtum brachte, sie soll nun wieder Reichtum bringen.
Sie soll die Wirtschaft wachsen lassen, Länder verbinden. Aber kann sie das?
Wird die neue Initiative dem alten Mythos gerecht?
Unterwegs in Kasachstan: einem Land auf der Suche nach seiner Zukunft.